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Branchenspezifische Risikofaktoren

Der Schutz und die Stärkung der Rechte indigener Völker stellen in vielen Wirtschaftsbereichen eine Herausforderung dar, doch in den folgenden Sektoren ist das Risiko von Rechtsverletzungen besonders hoch: Landwirtschaft und Agrarindustrie, Infrastruktur und Rohstoffgewinnung. Diese werden nachfolgend genauer beschrieben. Indigene Völker sind jedoch auch in anderen Sektoren von Rechtsverletzungen betroffen, einschließlich der Reise- und Tourismusbranche. Um mögliche Risikofaktoren für andere Branchen zu ermitteln, können Unternehmen den CSR Risiko-Check nutzen.

Landwirtschaft und Agrarindustrie

Der UN zufolge sind indigene Völker besonders von groß angelegten landwirtschaftlichen Entwicklungsprojekten betroffen, die ohne ihre freie, vorherige und informierte Zustimmung umgesetzt werden.

Zu den agrarspezifischen Risikofaktoren zählen:

  • Übergriffe auf indigenes Land: Da es sich um eine flächenintensive Industrie handelt, kann die Erschließung von landwirtschaftlichen Flächen auf indigenes Land übergreifen. Schlechte Kenntnisse über die Rechte der Indigenen, wie z. B. auf ihr angestammtes Land und Gebiet oder über das Prinzip der freien, vorherigen und informierten Zustimmung sind keine Seltenheit. Das ist vor allem der Fall, wenn Unternehmen in Ländern tätig sind, in denen die Rechte indigener Völker nur unzureichend geschützt sind oder in denen nur mangelhafte gesetzliche Standards gegeben sind.
  • Abgelegene Gebiete: Landwirtschaftliche Projekte finden häufig in abgelegenen Gebieten oder in Gegenden mit geringer Regierungsgewalt statt. Aufgrund der geografischen Abgeschiedenheit vieler indigener Gebiete ist es für indigene Völker oft schwierig, Rechtsbeistand und Abhilfe zu erhalten, wenn sie von Menschenrechtsverletzungen wie illegalen Übergriffen, Landraub oder Vertreibung betroffen sind.
  • Subventionen: Hohe Exportsubventionen und die staatliche Unterstützung der Agrarindustrie haben dazu geführt, dass viele indigene Gemeinschaften ihre Lebensgrundlage verloren haben. Laut der UN haben indigene Maisbäuer:innen in Mexiko durch billigen, hoch subventioniertem Mais aus den USA ihre Existenzgrundlage verloren.
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  • OECD-FAO, Leitfaden für verantwortungsvolle landwirtschaftliche Lieferketten: Dieser Leitfaden bietet einen allgemeinen Rahmen, der Unternehmen und Investor:innen helfen soll, eine nachhaltige Entwicklung zu unterstützen, einschließlich eines speziellen Abschnitts über die Zusammenarbeit mit indigenen Gemeinschaften zur Erreichung dieses Ziels. Der Leitfaden ist für Unternehmen in der gesamten landwirtschaftlichen Lieferkette relevant.

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  • International Fund for Agricultural Development (IFAD) How To Do: Seeking Free, Prior and Informed Consent in IFAD Investment Projects: Dieses Hilfsmittel wurde von der UN-Agentur IFAD entwickelt, um Agrarunternehmen Anregungen zu geben, wie sie die freie, vorherige und informierte Zustimmung (FPIC) der lokalen Gemeinschaften einholen können.
  • UN-FAO, Voluntary Guidelines on the Responsible Governance of Tenure of Lands, Fisheries and Forests: Diese Leitlinien können vom Privatsektor genutzt werden, um die Verwaltung von Landbesitz, einschließlich indigener Gebiete, zu bewerten und um Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren und umzusetzen.
  • Fairtrade International, Guide for Smallholder Farmer Organisations – Implementing Human Rights and Environmental Due Diligence (HREDD)Dieser Leitfaden dient als Hilfestellung bei der Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltsprozesse in kleinbäuerlichen Organisationen.

Infrastruktur

Die UN berichtet, dass Mega-Infrastrukturprojekte, wie große Staudämme, oft unverhältnismäßig starke Auswirkungen auf indigene Völker haben. Große Wasserkraftanlagen und Dämme, Straßen- und Bahninfrastruktur sowie Stromleitungen haben zum Verlust von Landgebieten und Lebensgrundlagen von indigenen Gemeinschaften geführt und zum Verlust ihrer Kultur und zu Menschenrechtsverletzungen beigetragen.

Zu den infrastrukturspezifischen Risikofaktoren zählen:

  • Erneuerbare Energien: Die Bestrebungen für erneuerbare Energien haben Berichten zufolge zu Menschenrechtsverletzungen geführt, auch gegenüber indigenen Völkern. Das Business and Human Rights Resource Centre berichtet, dass es im Anschluss an das Pariser Klimaabkommen und die Einführung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung nicht nur zu einem Anstieg der Investitionen in erneuerbare Energien sondern auch vermehrt zu Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Projekten im Kontext des Ausbaus erneuerbarer Energien gekommen ist. Viele dieser Vorwürfe sind auf unzureichende menschenrechtliche Sorgfalt und mangelhafte Auswirkungsermittlungen zurückzuführen. Das Business and Human Rights Resource Centre berichtet beispielsweise, dass fast ein Viertel (24 %) der Verstöße gegen soziale Rechte und Existenzgrundlagen in Mexiko mit der Solarindustrie in Verbindung gebracht werden.
  • Gesundheitsrisiken: Wasserkraftprojekte haben oft ernsthafte Auswirkungen auf die Gesundheit der indigenen Gemeinschaften, die in der Nähe dieser Projekte leben. Eine Harvard-Studie aus dem Jahr 2016 zeigt, dass beim Bau von Staudämmen für Wasserkraftwerke natürlich vorkommendes Quecksilber im Boden in Methylquecksilber umgewandelt wird – ein Giftstoff, der zu einer Verschlechterung der Wasserqualität beiträgt. Diese Wasserverschmutzung führt dann zu ernsthaften Gesundheitsrisiken wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und neurologischen Entwicklungsstörungen bei Kindern.
  • Sicherheitsbedenken: Infrastrukturprojekte bringen darüber hinaus weitere Gefahren mit sich. So berichtet die Minority Rights Group, dass 2018 Wasser aus einem Wasserkraftwerkprojekt am Fluss Doyang im indischen Nagaland 10.000 Hektar Land überflutete und Tausende von Menschen, darunter viele Indigene, ihre Häuser, Fabriken und Felder verloren. Ebenso werden Wasserkraftprojekte mit Erdrutschen in Verbindung gebracht.
  • Straßenbauprojekte: Neue Straßenbauprojekte führen ebenfalls oft zu Verletzungen der Rechte indigener Völker. Das Trans-Papua-Highway-Projekt, ein rund 4.300 km langes Straßennetz, das quer durch West Papua in Indonesien gebaut wird, ist ein solches Beispiel. Das gewaltige Infrastrukturprojekt ist einer der Hauptgründe für anhaltende Konflikte und die Abholzung der Wälder, ohne dass die indigenen Gruppen der Papua konsultiert wurden. Zivilgesellschaftliche Gruppen berichten, dass das Infrastrukturprojekt den Papuas wahrscheinlich keine Vorteile bringt, sondern stattdessen ihre wirtschaftliche Existenz bedroht.
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  • Hydropower Sustainability, Guidelines on Good International Practice: Diese Leitlinien definieren die Anforderungen für Wasserkraftprojekte. Sie bieten zudem Bewertungs- und Managementkriterien speziell für Wasserkraftprojekte, die Auswirkungen auf indigene Völker haben.
  • Indigenous Peoples Major Group, Sustainable Energy and Indigenous Peoples: Dieser Bericht untersucht den Zusammenhang zwischen SDG 7 zur Sicherstellung des Zugangs zu nachhaltiger Energie und den Rechten indigener Völker. Außerdem werden die internationalen Menschenrechtsnormen und die UN-Leitprinzipien als wichtige Orientierungshilfen bei der Erzeugung nachhaltiger Energien betrachtet.
  • Business and Human Rights Resource Centre, Investor Briefing: Renewable Energy Impacts on Communities: Dieses Briefing beschreibt, wie Investor:innen ihre Menschenrechtsrisiken und -pflichten im Zusammenhang mit ihren Investitionen in erneuerbare Energien managen können. Darüber hinaus werden konkrete Maßnahmen genannt, die Investor:innen ergreifen können, um diese Risiken vor und während der Investition zu adressieren.
  • OHCHR, The Other Infrastructure Gap: Sustainability: Dieser Bericht analysiert die potenziellen Vorteile, die sich aus der expliziten Einbeziehung von Menschenrechten und Nachhaltigkeitsaspekten in Mega-Infrastrukturprojekten ergeben, sowie die Kosten, die entstehen, wenn dies nicht geschieht, und stützt sich dabei auf Projekterfahrungen in den Bereichen Energie, Verkehr und Wasser.

Rohstoffe und Bergbau

Die Rohstoffindustrie stand bereits häufig mit Verletzungen der Rechte indigener Völker in Verbindung. In einigen Fällen kam es zu verheerenden Menschenrechtsverletzungen, einschließlich der Anwendung tödlicher Gewalt oder der gezielten Tötung von indigenen Aktivist:innen und Menschenrechtsverteidiger:innen. Die gewaltsame Vertreibung indigener Gemeinschaften hat zu langanhaltenden Konflikten und gesellschaftlichen Unruhen geführt.

Zu den rohstoffspezifischen Risikofaktoren zählen:

  • Kulturelle Rechte: Bergbau wird häufig auf oder in der Nähe von indigenem Land betrieben. Daher können sich Bergbauaktivitäten auf die kulturellen Rechte indigener Völker auswirken, wie das Praxisbeispiel über Rio Tinto und die Juukan-Schlucht zeigt.
  • Bergbauabfälle: Die unsachgemäße Handhabung oder Entsorgung von Bergbauabfällen können zur Verseuchung des Wassers, zur Zerstörung der Lebensgrundlagen und zur Vertreibung indigener Gemeinschaften führen. Einstürze von Staudämmen haben besonders negative Auswirkungen auf indigene Gemeinschaften, die mit verheerenden Umweltschäden und der Verwüstung von Lebensräumen konfrontiert werden, die für ihr materielles und kulturelles Überleben notwendig sind.
  • Wasserverbrauch: Die enormen Wassermengen, die für den Bergbau benötigt werden, können zu Wasserknappheit bei indigenen Gemeinschaften führen und deren Lebensgrundlage beeinträchtigen. Der Lithiumabbau in der chilenischen Atacama-Wüste zum Beispiel wirkt sich negativ auf die Bräuche und die landwirtschaftliche Arbeit der indigenen Völker aus. Ähnlich wie das Land kann auch Wasser für indigene Völker einen spirituellen und kulturellen Wert haben. Die starke Abhängigkeit der Rohstoffindustrie von Wasser kann daher zu einer Verletzung des Rechts indigener Völker auf ihr angestammtes Land, ihre Gebiete und Ressourcen führen.
  • Sicherheitsfirmen: Der Einsatz öffentlicher und privater Sicherheitsfirmen zur Bewachung von Minen, insbesondere in Ländern, in denen sie bekanntermaßen gewaltvoll oder repressiv vorgehen, kann zu schweren Verletzungen der Rechte indigener Gemeinschaften führen. Indigene Völker waren in der Vergangenheit Ziel von Tötungen, Folter, willkürlichen Verhaftungen und Einschüchterungen durch Sicherheitskräfte, weil sie sich gegen den Bergbau in ihrem angestammten Land eingesetzt haben.
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  • International Council on Mining and Metals (ICMM), Good Practice Guide: Indigenous Peoples and Mining: Dieser Leitfaden wurde für Metall- und Bergbauunternehmen entwickelt, um starke und für beide Seiten vorteilhafte Beziehungen zu indigenen Völkern aufzubauen. Er enthält hilfreiche Tools und Praxisbeispiele zum Engagement und zur Beteiligung indigener Völker, zum Umgang mit Risiken, Abkommen sowie zum Beschwerdemanagement.
  • Responsible Jewellery Council (RJC), Standards Guidance: Dieser Leitfaden bietet RJC-Mitgliedern eine mögliche Herangehensweise zur Umsetzung der verbindlichen Anforderungen des RJC-Verhaltenskodex, einschließlich spezifischer Erwägungen zu den Rechten indigener Völker.
  • IPIECA, Indigenous Peoples and the Oil and Gas Industry: Context, Issues and Emerging Good Practice: Dieses Dokument gibt einen Überblick über die Interaktion zwischen Öl- und Gasunternehmen und indigenen Völkern und zeigt auf, was Unternehmen bei ihren Tätigkeiten in indigenen Gebieten beachten sollten.
  • IPIECA, Free, Prior and Informed Consent (FPIC) Toolbox: Diese Umsetzungshilfe wurde entwickelt, um Unternehmen ein Verständnis dafür zu vermitteln, wie FPIC in einer Reihe von regionalen und länderspezifischen Kontexten umgesetzt werden kann.
  • IPIECA, Community Liaison Officers Team Building and Management Guidance: Diese Handreichung wurde erstellte, um Unternehmen in der Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften und bei der Einstellung von Community Liaison Officers (CLOs) zu unterstützen. Spezifische Überlegungen zu indigenen Gemeinschaften sind dort ebenso enthalten.
  • DCAF, ICRC and GCBHR, Indigenous Peoples Fact sheet, Security and Human Rights Toolkit: Dieses Merkblatt zeigt auf, wie Unternehmen Risiken in Bezug auf Sicherheit und Menschenrechte für indigene Völker effektiv reduzieren können.
  • DCAF, ICRC and GCBHR, Impacts of Company Operations on the Security of Communities: Diese Seite bietet eine Orientierungshilfe, wie Unternehmen negative Auswirkungen auf die Sicherheit indigener Gemeinschaften verhindern und adressieren können.
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